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Es bedarf keiner Erorterung, dag die heutigen westlichen Gewerkschaften einen vollig anderen gesellschaftlichen Hintergrund haben als die friiheren Gewerkschaften des 19. Jahrhunderts. Diese waren Kinder ihrer Zeit; sie entsprachen den damals herrschenden kapitalistischen Verhaltnissen, der In dustrialisierung und dem Klassenkampf. Seitdem ist iiber ein Jahrhundert vergangen. Patriarchalisch geleitete Betriebe haben sich zu Grogindustrien entwickelt und iiber die ganze westliche Welt ausgebreitet, Immigration und Verstadterung haben neue Kulturmuster her vorgerufen, Kommunikationsmittel haben Lander einander naher gebracht, die Arbeiterschaft hat sich emanzipiert. Auch sozialpsychologisch unterscheidet sich die alte Kla~sengesellschaft von der heutigen Statusgesellschaft 1 grund legend. Es entstand nach dem Zweiten Weltkrieg das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gebilde des W ohlfahrtsstaates, der sowohl den Staat der modernen Wohlstandsgesellschaft (affluent society) einschliegt, wie den Staat der sozialen Sicherheit (welfare state). Gemessen am 19. Jahrhundert leben wir heute in einer neuen Gesellschaft. Auch die Gewerkschaftsbewegung konnte sich dem Wandel nicht entziehen. Makrosozial unterlag sie Veranderungen, die man als Institutionalisierung bezeichnet. Sie entwickelte sich aus einer Oppositionsgruppe zu einer sozial integrierten Institution, die der Konfliktsphare des Streiks Verhandlungen vorzieht. Auch auf mikrosozialer Ebene - im Verhaltnis zwischen der Gewerkschaft und ihren Mitgliedern - ergaben sich Veranderungen objek tiver wie subjektiver Art. Objektiv iibernahm die Gewerkschaft neue Ver pflichtungen gegeniiber ihren Mitgliedern, die neue Voraussetzungen schufen und zu ihrer Verwirklichung neuer Voraussetzungen bedurften.